Heute möchte ich euch den sehr sympathischen und erfolgreichen Autor H.C. Scherf vorstellen. In diesem Interview werden eure Fragen beantwortet.
Interview mit H.C. Scherf, Thrillerautor
Danke, dass Sie sich zu einem Interview zur Verfügung stellen.
Mich und die Leser interessiert zu Beginn, wie Sie zum Schreiben kamen.
Der Volksmund würde sagen: Wie die Jungfrau zum Kind. Doch ganz so spaßig war es dann doch nicht. Der Job als leitender Angestellter innerhalb eines Zeitungs-Großverlages, der auch Wochenanzeiger herausbringt, verantwortete ich diverse Titel im Kerngebiet des Ruhrreviers. Erst zum Zeitpunkt, als ich in den Ruhestand ging, ereilten mich prägende Schicksalsschläge, die mich in eine sehr tiefe, emotionale Krise katapultierten. Um aus diesem tiefen Tal der Depressionen wieder herauszukommen, griff ich in die Tasten und schrieb mir das Leid von der Seele. Die Therapie schien zu wirken, denn es führte dazu, dass ich in den letzten fünf Jahren insgesamt 25 Bücher und diverse Kurzgeschichten veröffentlichte.
Wenn Sie von Schicksalsschlägen sprechen, denke ich, dass es sich um tragische Geschichten handelt, die aus Ihrer Feder entstanden.
Das trifft nur teilweise zu. Beim Debütroman »Das Glück kennt kein Erbarmen« ging es schon um eine tragische Geschichte zweier vom Schicksal gebeutelter Menschen. Doch verlor sich die Depression zusehends und ich arbeitete mit Themen, die mich schon immer beschäftigten. So schrieb ich z.B. über eheliche Misshandlungen, den Missbrauch von Kindern, die Schuld eines Vaters, der sein Kind verletzte, die Kraft, die in erkrankten Menschen steckt und die Zerstörung der Natur. Alles verpackte ich in spannende Geschichten, damit die Message mit der Story mehr oder weniger aufgenommen wird.
Warum fassen Sie die Themen nicht direkt an und informieren den Leser klar und sachlich?
Da entstehen bei den meisten Menschen natürliche Hürden. Kaum jemand möchte in der Phase des entspannenden Lesens mit solchen Problemen konfrontiert werden. Wir möchten in diesem Moment der Entspannung austreten aus dieser realen Welt und nicht noch mit dererlei Themen konfrontiert werden. Träumen ist angesagt. Zusätzlich entsteht im Kopf ein Verdrängungsprozess, der uns suggeriert: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die Konsequenz ist, dass solche Bücher in den Regalen der Büchereien liegenbleiben. Jeder weiß um die Geschehnisse und will doch die Berührung damit vermeiden. Wir vergessen allerdings, dass das unsägliche Übel direkt neben uns in der Nachbarwohnung stattfindet.
Aber Sie erwähnen, dass Sie die Themen doch in Ihren Büchern verarbeiten. Wie darf ich diesen scheinbaren Widerspruch verstehen?
Dabei handelt es sich nur um einen scheinbaren Widerspruch. Wenn ich z.B. den Menschenhandel, den Missbrauch von Kindern oder den Organhandel in einen Thriller einbaue, gebe ich dem Leser eine fiktive Handlung vor, in deren Verlauf ich jedoch viele Fakten und Zahlen aus der Grundthematik unterbringe. Der Leser nimmt diese Fakten zwar auf, sieht dennoch das Geschehen um das eigentliche Thema als erfunden an. Dadurch ist für ihn alles sehr weit weg und weniger belastend. Dennoch habe ich geschafft, dass sich Wissen im Unterbewusstsein ablegt und somit eine Nachhaltigkeit erreichen. Das Buch soll spannend unterhalten, den Leser aber auch nachdenklich bzgl. des Themas zurücklassen.
Eine interessante These, die Sie vertreten. Damit untermauern Sie die Behauptung, dass Lesen bildet.
Das auf jeden Fall. Aber ich möchte das noch auf den jeweiligen Verfasser von Büchern ausweiten. Das Schreiben selbst bildet noch viel stärker. Sie glauben gar nicht, wie sehr allein die Recherche zum Buch dem Autor Wissen vermittelt. Indem wir uns mit dem Plot und den Fakten beschäftigen, nehmen wir ungeheures Wissen auf, über das wir zuvor zumindest nur eingeschränkt verfügten. Ich gebe zu, dass ich vieles, was ich bis heute bzgl. Straftaten erfahren musste, besser gar nicht hätte wissen wollen.
Das bringt mich zu einer anderen Frage. Sie schrieben zu Beginn unter Ihrem Klarnamen Harald Schmidt. Was trieb Sie dazu, das Pseudonym H.C. Scherf anzunehmen und plötzlich ausschließlich Thriller zu schreiben?
Versuchen Sie einmal, dem Leser zu vermitteln, dass allein Sie sich hinter dem Namen verbergen und nicht der durch TV bekannte Promi. Stets fand ich in Online-Buchhandlungen die Bücher des namensgleichen Kabarettisten in meiner Sammlung. Auch bei den Inhalten vermuteten die Leser einen komplett anderen Inhalt. Das war einer der Gründe, warum ich zum Pseudonym wechselte. Aber auch das neue Genre erforderte einen Wechsel des Namens. Der Klarname hätte keinesfalls zum Thema Thriller gepasst. In der Folge suchte ich nach einem Pseudonym, was zusätzlich noch die Frage offenhielt, welchem Geschlecht der Autor zuzuordnen war!!
Sicher war die Entscheidung nicht unbegründet, wie Ihre ansteigende Bekanntheitskurve beweist. Doch sehen wir, dass Sie nicht als Verlagsautor schreiben. Was bewegt Sie dazu, als Selbstverleger, als Selfpublisher zu schreiben?
In den Augen vieler Leser*innen wird der Selfpublisher selbst heute noch als B-Autor angesehen, dem es scheinbar nicht gelungen ist, einen Verlag zu finden. Seine Klasse reichte wohl nicht aus, um einen allwissenden Verlagslektor begeistern zu können. So viel zu Vorurteilen. Ich gebe zu, dass ich mich nie bemüht habe. Dafür gibt es vielerlei Gründe. Einer dürfte sicherlich sein, dass ich (so würde es Bruce Willis wohl salopp bezeichnen) »für den Scheiß einfach zu alt bin«. Welcher Verlag, der wirtschaftlich denken und kalkulieren muss, nimmt einen 72jährigen noch unter Vertrag? Aber viel wichtiger war und ist mir die Selbstständigkeit mit der ich eigene Entscheidungen zum Text, zur Aufmachung, zur Vermarktung treffen darf. Sehen wir das Ganze doch einmal pragmatisch. Wie viele Autoren gibt es, die vom Schreiben leben können? Wie viele Autoren gibt es, die von ihren Verlagen wirklich auflagensteigernd gepuscht werden? Hier sieht man stets nur die Fitzeks und Folletts. Die meisten von ihnen laufen nur als schmückendes Beiwerk zu den ganz Großen der Branchen in den Verlagen. Oft müssen sie ihre Marketingaktivitäten noch selbst erledigen, da der Verlag kaum weiter in sie investieren möchte, nachdem schon Cover-Herstellung, Lektorat und Korrektorat Geld verschlungen hat. Aber der Hauptgrund liegt bei mir darin, dass ich MEINEN Schreibstil gefunden habe, den ich mir von keinem Lektorat im Wesentlichen verändern lassen möchte. Nur so finde ich mich unverfälscht in meinen Büchern wieder. Es sind und bleiben meine Träume und Gedanken.
Danke für die Brücke, die Sie mir zur nächsten Frage bauen. Befürchten Sie nicht, von den Lesern als, sagen wir einmal, »krank« angesehen zu werden, weil Sie sich mit perfiden, manchmal abstoßenden Mordgeschichten beschäftigen?
Gestatten Sie mir ein Lächeln. Das werde ich oft bei Lesungen gefragt. Das brachte mich dazu, die Zuhörer schon zu Beginn der Veranstaltung darüber aufzuklären. Wir Thriller-Autoren besitzen die Fähigkeit, schlimmste Verbrechen aus einer gesunden Distanz betrachten und beschreiben zu können, obwohl wir uns gedanklich mitten im Geschehen bewegen. Für uns ist das Geschehen absolut fiktiv, was uns die Möglichkeit gibt, eine saubere Trennung herbeizuführen. Je nach Beschreibungs-Intensität versinkt dagegen der Leser in der Handlung, wird quasi unaufhaltsam hineingezogen. Das lässt sich seitens des Autors geschickt variieren. Je nach Schreibweise kann das schon sehr heftig werden. Aus diesem Grund recherchiere ich die jeweiligen Örtlichkeiten sehr intensiv. Wenn der Leser Angst verspürt, den Ort des Verbrechens, den Täter oder die Furcht des Opfers nachvollziehen kann, hat das Buch seinen Zweck erfüllt und einen Level erreicht, der es einmalig macht. Die letzte Seite umzublättern, muss einen tiefen Seufzer des Bedauerns hervorrufen. Am Ende muss der Gang in den Keller oder in den bisher gewohnten, friedlichen Wald für einen gewissen Zeitraum Angst erzeugen.
Zum Schluss muss ich noch eine Frage loswerden. Sie sind bekannt für Ihre oftmals extremen Recherchemethoden. Was treibt Sie in diese hier und da ungewöhnlichen Vorhaben?
So ungewöhnlich sind die eigentlich gar nicht. Die meisten meiner Autorenkollegen und -kolleginnen tun das in abgewandelter Form. Das gehört dazu. Eine Recherche in den Tiefen des Internets ist an mancher Stelle sicher notwendig, kann aber einer Vor-Ort-Recherche niemals gleichkommen. Es gibt bei mir eine Regel, die ich fast zu 100% befolge. Die Orte, an denen meine Figuren wandeln, habe ich zumeist selbst zuvor besucht. Dazu gehören der nächtliche Friedhof, der Lost-Place-Bereich, der modrige Keller, die Gefängniszelle oder das Restaurant auf Borneo, sowie vieles mehr. Ich selbst muss die Angst gespürt haben, die meine Opfer später erleiden. Ich selbst muss die Wege durch einsame Keller gegangen sein, muss das Essen auf Bali genossen haben – nur dann kann ich dem Leser das Gefühl der alles einnehmenden Furcht vermitteln, oder die Gewürze des Essens förmlich riechen lassen. Nichts ersetzt das Original. Schon aus diesem Grund setze ich mich mit den Rettungskräften der Feuerwehr und Ärzten zusammen. Ich will wissen, wie und was sie fühlen, wenn sie in Einsätzen dem Schrecklichsten begegnen: dem Tod. Außerdem pflege ich regelmäßigen Kontakt zu einem Freund, der selbst einmal eine Mordkommission leitete. Dr. Manfred Lukaschewski ist mir stets eine Stütze, wenn es heißt, den Leichenfund und die anschließende Analyse authentisch zu beschreiben. In überschaubarem Rahmen Hintergrundwissen aus der Rechtsmedizin zu vermitteln, kann dem Leser eine gewisse Schreibkompetenz vermitteln, was ich als sehr wichtig erachte.
Ich hätte noch einen Riesenberg an Fragen, doch haben wir das Wichtigste schon erfahren dürfen. Ich hoffe, dass wir noch viele spannende Thriller aus Ihrer Feder lesen dürfen. Danke für die ehrlichen und ausführlichen Antworten.
Wer noch mehr über den Autor H.C. Scherf und seine aktuellen Projekte/Thriller-Reihen lesen möchte, kann das auf seiner Autorenseite unter https://www.scherf-autor.de tun.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg.
Weitere Autorenvorstellungen findet ihr unter
http://www.helgasbuecherparadies.com